Nachruf auf Dorothee Austen (1952 – 2021)

Am 9.9.2021 verstarb unsere langjährige Kollegin Dorothée Austen im 69. Lebensjahr.

Dorothée war zum Schuljahr 1983/84 an die Nürnberger Rudolf Steiner-Schule gekommen, in einer Zeit, wo sich an der Schule gerade ein tiefgreifender Generationenwechsel vollzog, denn eine ganze Gruppe von jungen Kolleginnen und Kollegen, alles Kinder der fünfziger Jahre, waren nach dem Studium auf der Suche nach einer Lebensaufgabe und ergriffen mit viel Elan und neuen Impulsen Unterrichts- und Gestaltungsaufgaben.

Dorothée hatte in Erlangen Deutsch und Französisch studiert, unter anderem bei René Ricard, den sie zeitlebens sehr bewunderte und der sie ermutigte, sich – auch ohne Waldorfseminar – an der Schule als Französischlehrerin zu bewerben. Die spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Waldorfunterricht erarbeitete sie sich „peu à peu“ durch Hospitieren bei diversen Kolleginnen und Kollegen, den Besuch von Fortbildungen, viele Gespräche mit ihrem Mentor Ricard und im intensiven Kontakt zu der Französisch- und Klassenlehrerin Ursula Hofrichter. Dorothée und Ursula beflügelten sich gegenseitig, sammelten viele französische Lieder, Texte und Spiele und schrieben selbst Stücke – lange bevor das berühmte „Livre rose“, heute die „Bibel“ aller FremdsprachenlehrerInnen von der Pädagogischen Forschungsstelle veröffentlicht wurde.

Bald war es ein gewohnter Anblick, „Madame Austen“ im Kleinen Pausenhof eng umringt von Erst- oder ZweitklässlerInnen zu sehen, die alle von ihr wahrgenommen, gedrückt oder auch manchmal getröstet werden wollten. Beim Gang über den Schulhof schallte es von irgendwo her fröhlich „Bonjour Madame Austen“ und Dorothée hatte immer eine gut gelaunte Antwort und stets den Namen des Kindes parat. Ihre Fröhlichkeit, die sie stets umgab, war es, die die Kinder voller Begeisterung ins Erlernen der französischen Sprache eintauchen ließ und die unzähligen Auftritte, kleinen Szenen oder Spiele in Monatsfeiern schenkten Kindern und Publikum viel Freude. Bisweilen kam dann bei der Einschulung der Kinder ehemaliger Schülerinnen zur Sprache, dass man sich besonders gerne an die Spiele aus den ersten Französischjahren bei „Madame Austen“ erinnere.

Als ich selbst nach dreijähriger Elternzeit wieder in die Unterrichtsarbeit einstieg, war ich als ehemalige Oberstufenlehrerin, die nun ihr Glück auch bei den „Kleinen“ versuchen sollte, unendlich dankbar für die Hilfestellung der beiden versierten Unterstufenlehrerinnen Dorothée und Ursula, die mir freimütig ihr Material zur Verfügung stellten und bei Problemen immer zu Stelle waren und Rat wussten. Dorothée selbst hatte damals schon längst Mutterpflichten für ein adoptiertes Mädchen übernommen und bekam dann später in der Ehe mit Gerhard Austen noch zwei eigene Töchter, Charlotte und Konstanze, die Schülerinnen unserer Schule wurden.

Nach ihrer Elternzeit und auf der Suche nach einem neuen Ansatz war Dorothée von 2000 bis 2004 als Klassenlehrerin tätig. Die Herausforderungen und Belastungen als Mutter, Klassenlehrerin und Französischlehrerin schulterte sie mit unglaublichem Elan, großer Zähigkeit und nie versiegender guter Laune.

Neben all der Arbeit in Familie und Schule fand sie sogar noch Zeit und Freiräume für künstlerische Tätigkeiten wie Gedichte schreiben, Steinmetzarbeit oder Tango tanzen oder an der Volkshochschule Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten in den Kursen „Mama lernt Deutsch“. Diese Aufgabe lag ihr besonders am Herzen und sie schätzte sehr den Austausch mit Frauen aus ganz anderen Lebenszusammenhängen und Kulturen.

Mit dem Schuljahr 2015/2016 endete ihre Tätigkeit an der Rudolf Steiner-Schule, aber anstatt nun beschaulich das Leben genießen und sich ihren künstlerischen Ambitionen widmen zu können, erwartete sie bald darauf die härteteste und bitterste Herausforderung in Form ihrer schweren Krankheit, mit der sie fünf Jahre lang kämpfte, um schließlich, viel zu früh, im Sommer 2021 im Alter von 68 Jahren davon erlöst zu werden.

« (…) On est bien peu de chose (…)
Wie wenig wir doch sind
Et mon amie la rose
Und meine Freundin die Rose
Est morte ce matin.
Ist heute Morgen gestorben.
La lune cette nuit
Der Mond hat heute Nacht
A veillé mon amie.
Bei ihr Wache gehalten.
Moi en rêve j’ai vue
Ich habe im Traum gesehen
Eblouissante et nue
Wie ihre Seele
Son âme qui dansait
Strahlend und nackt
Bien au delà des nues
Weit über den Wolken tanzte
Et qui me souriait (…). »
Und auf mich herunter lächelte (…).

(Chanson de Françoise Hardi)

Sibylle Lankes-Weiß (L)

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